Alltag: Busfahren auf Chinesisch
“Viele Chinesen sind Chaosmagneten. Wo das Straßenbauamt in anderen Ländern Mittelstreifen malt, stellt es in Peking Zäune auf- die einzige Möglichkeit, die motorisierten Anarchisten auf ihrer Spur zu halten”, so schreibt Kai Strittmatter in seiner “Gebrauchsanleitung für China“. Selbstverständlich sind wir hier, um uns unbeeinflusst solch klischeeorientierter Deskriptionen ein eigenes Bild zu machen. Auch, wenn letztendlich dann doch alles ist, wie es im Reiseführer steht.
So unser Busfahrer, welcher samtens blümchenmusterplüschgepolstertertem Reisebus bestellt war, um uns von der Universität aus nach Anting New Town zu fahren. Abgesehen von einigen unsanften Bremsmanövern machte er das wunderbar- bis die Stadt in Sicht war. Als wir deren Höhe erreicht hatten, blieb er nämlich einfach weiter auf die Autobahn. Immerhin war die Handlung vage begründet: Er wollte noch einen Führer abholen, der längst abgesprungen war.
Auf der Rückfahrt nach Shanghai fuhren wir nicht zu weit. Was allerdings daran lag, dass unser Fahrer unter einer für unseren Bus zu niedrigen Brücke hindurchwollte. Beziehungsweise hindurchführen wollte: Nach wenigen Metern, gefühlten 20 Sekunden ohrenbetäubender Kratzgeräusche, begleitet von ersten Dellen im Dach, steckten wir fest.
Ruhe bewahren. Dachten wir. Vielleicht die Luft aus den Ventilen lassen. Problemlösung auf chinesische Art: Mitten im Treiben des Stadtverkehrs nach hinten zurücksetzen bis man schon fast wieder unter dem Brückeneingang weg ist - und dann, alle guten und gut gemeinten Ratschläge ignorierend, abermals kräftig nach vorne setzen.
Nach zwanzig Minuten gaben wir auf und stiegen aus, zum Glück steckte der Bus wenigstens in der Nähe des Restaurants fest, in dem wir reserviert hatten. Als die ersten von uns nach zwei Stunden zurückkehrten steckte der Bus immer noch fest, trotz Luft aus den Ventilen lassen. Die entscheidende Hilfe kam später von Frau Kang und einigen Studentinnen, die dem Busfahrer nicht nur Essen mitbrachten, sondern sich auch wieder gesammelt in den Bus hineinsetzten. Nun, endlich, war er niedrig genug, um unter der Brücke wegzukommen.
CLuetkemeier, 2. September, 18:39