Exkursion

Mittwoch, 10. September 2008

Exkursion: Die Stadt als Schiff

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Am Beginn der gemeinsamen Fahrt nach Tongli und Zhou’zhuang stand ein Blick auf die prominenteste europäische Kanalstadt: Venedig. Eine Stadt, die man mit ihren Gondeln heute vor allem als romantische Kulisse wahrnimmt, in deren Vergangenheit als Seerepublik aber auch der kulturellen Transport per Schiff erzählt. Das schiff als Transportmittel, aber auch als Metapher des politischen Gemeinwesens wurde zum Leitgedanken des Tages. Vor dem Hintergrund der am Vortag besichtigten Selbstinszenierung Shanghais im Exhibition Planning Center untersuchten die Studierenden durch Umfragen vor Ort die Arbeits- und Lebensbedingungen in den Kanalstädten. Zusätzlich erhielten sie den Auftrag den Satz “Shanghai ist wie ein Schiff, das” individuell zu vervollständigen, wobei das “Shanghai” auch durch “Deutschland” oder “China” ersetzt werden durfte. Die Präsentationen der Ergebnisse am Ende des Tages ergaben ein detailreiches Bild: So ergab die von den Studierenden durchgeführte Befragung unter den Bewohnern der Stadt große Unterschiede zwischen den Lebensbedingungen der älteren Menschen, welche mit 80 Prozent die deutliche Mehrheit der Einwohner stellen und der jungen Generation, die zum großen Teil in Richtung Shanghai abwandert. Haupteinnahmequelle des Ortes ist der Tourismus, der jedoch keinen einheitlichen Lebensstandard für alle garantiert da große Einkommensunterschiede bestehen. Die an staatliche Stellen zu entrichtenden Pachtgebühren sind für nicht wenige Gewerbetreibende ein Problem.
Differenziert fielen auch die Vorstellungen davon aus, wohin die “Stadt- und Staatsschiffe” in China und in Deutschland unterwegs sind. Einige der von den Studentinnen ergänzten Sätze klingen in deutschen Ohren propagandistisch, andere lassen an Probleme denken, die uns auch in Deutschland wohl bekannt sind. Eine Auswahl aus den Antworten ist im untenstehenden Kasten dokumentiert.


"Shanghai und Deutschland sind beide wie ein Schiff, das nicht größer werden kann aber immer größer geworden ist." Yuan Jingliang

"Shanghai ist wie ein Schiff, mit dem wir zum Ufer der Glücklichkeit übersetzen können." Long Xiaoshuang

"Dass sie China nach vorne führt und in der Welt immer vorausführen wird!" Chen Yongling über die Metropole Shanghai

"Shanghai ist wie ein Schiff, das durch Tee und Kaffee fährt." Bai Lu

"China und Deutschland sind wie ein Schiff, dass einen Bug der Kultur und eine Kimm der Geschichte hat." Zhou Hong

"China ist wie ein Schiff, das mit einem reichen Schatz durch Wind und Wellen zu klarem Horizont fährt." Bian Xiaojun

"China und Deutschland sind wie ein Schiff, das auf dem Wasser der Geschichte liegt aber möglicherweise auch von dem umgesetzt wird." Zhou Hong

"Shanghai ist wie ein Schiff. in dem die Fahrgäste viele schöne Landschaften sehen und verschiedene Typen von Menschen kennen lernen" Annika

"Deutschland ist wie ein Schiff, das in der Welle der Innovation immer voraus ist. Und China ist auch wie ein Schiff, das schnell fährt und aufgeholt hat." Rebecca

"Shanghai ist wie ein Schiff, das die Leute aus der ganzen Welt trägt, die sich sowohl um ihre Leben und Träume bemühen als auch die Beiträge zur Entwicklung Shanghais leisten." Schwalbe

Dienstag, 9. September 2008

Exkursion: Shanghai City Planning Exhibition Centre

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In weniger als 600 Tagen wird Shanghai Austragungsort der Expo 2010 sein - nach der diesjährigen Olympiade das nächste Großprojekt, mit dem sich China der Weltöffentlichkeit präsentieren will. Weil das Motto der Expo "Better city, better life" in der eigenen Stadt möglichst vorbildlich demonstriert werden soll, gleicht Shanghai im Moment einer einzigen Großbaustelle: An allen Ecken und Enden wird an der Optimierung der Metropole gewerkelt. Oder an dem, was man dafür hält.

Wie ehrgeizig die Zukunftsvisionen von der eigenen Stadt sind, zeigt ein Besuch im Shanghai City Planning Exhibition Centre. Im hohen lichtdurchfluteten Foyer des eigenwilligen Gebäudes dreht sich auf einem runden Sockel ein vergoldetes Modell Shanghais. Interessanterweise wird nicht die ganze Stadt gezeigt, sondern nur eine Silhouette aus den Türmen der wichtigsten Wolkenkratzer und dem Oriental Pearl Tower. Eine Altstadt hat hier keinen Platz, die sprichwörtlich "goldene Zukunft" scheint man in Pudong zu sehen.
Auch die Ausstellung gibt sich völlig zukunftsgewandt. Zwischen sehr wenigen Verweisen auf die Vergangenheit und Gegenwart der Stadt: Ein modellgebautes Shanghai 2010. Neuer Flughafen, neuer Bahnhof, neuer Hafen. Eine Miniaturausgabe der fertig gestellten Lingang New City. Eine computeranimierte, musikuntermalte 360-Grad Ansicht des neuen Shanghais, die sich in einem runden Kino bewundern lässt. Stadtverwaldung: Auf Schautafeln wird das Langzeitziel präsentiert, 40 Prozent von Shanghai zu begrünen. Jedem Shanghaier soll dann durchschnittlich eine Grünfläche von der Größe eines Hauses zur Verfügung stehen. 1949 bemaß sich die Grünfläche pro Shanghaier gerade auf die Größe eines Schuhpaares, im Jahr 2003 waren es knapp 10 qm².
Die Planungen sind ehrgeizig. Wie und mit welchen Medien werden sie im Shanghai City Planning Exhibition Centre präsentiert? Wo wird auf Probleme sozialer und ökologischer Art hingewiesen? Welche Menschen sollen in diesem neuen Shanghai eigentlich leben und auf welche Weise? Wer möglicherweise keinen Platz mehr im durchgestylten Stadtbild finden?
In Kleingruppen beschäftigten sich die Studentinnen mit diesen und anderen Fragen, um ihre Antworten im Anschluss anhand ausgwählter Exponate zu präsentieren.

Samstag, 6. September 2008

Exkursion: Touristen-Tempel


Das Kloster der Seelenzuflucht bei Hangzhou zählt zu den zehn berühmtesten Chinas. Seine Gründung wird auf einen indischen Mönch namens Huili in das Jahr 326 zurückgeführt. Die riesige Anlage, die bis zum 10. Jahrhundert 300 Gebäude umfasste, in denen 3000 Mönche lebten, wurde während des Taiping-Aufstandes in den Jahren 1851-1864 völlig zerstört.
Heute ist das Zen-Kloster wieder aufgebaut und erfreut sich - mit Segen der chinesischen Regierung- regen touristischen Andrangs. Wer im Tempel Ruhe finden will, muss sich aus diesem Grunde allerdings zuerst seinen Weg vorbeibahnen an langen Warteschlangen vor den Kassen, unzähligen Verkaufs-Ständen, welche mal mehr, mal weniger religiöse Artikel anbieten, Imbissbuden und von Regenschirmen und Fahnen angeführten Reisegruppen.
Über dem Tor des Tempels, für den man noch einmal Extra-Eintritt bezahlt, wirbt eine neonbunte Lichtreklame für die religiöse Erleuchtung. In seinem Inneren dann endlich - Stille.

Mittwoch, 3. September 2008

Exkursion: Lingang New City (II)

Einführender Vortrag im Architektenbüro GMP in Shanghai und unser Rundgang durch die Stadt. Einige Eindrücke...

Exkursion: Lingang New City (I)

Idee und Form oder: Anti-Anting

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Ein ins Wasser fallender Tropfen, um den herum sich konzentrische Wellen bilden - dieses Bild ist das architektonische Leitmotiv für Lingang New City. In der etwa eine Autostunde von Shanghai entfernten Reißbrettstadt sollen einmal bis zu 800. 000 Menschen leben - mehr als doppelt soviel wie ursprünglich geplant. Sie wurde als Hafenstadt zum internationalen Containerhafen Yangshan konzipiert, mit welchem sie durch eine 30 km lange Brücke über das Meer verbunden wird. Erste Anwohner haben sich bereits niedergelassen - obwohl der Großteil der Anlage noch im Bau begriffen ist und über weite Strecken nur Stahlgerüste und tiefe Gräben das Bild prägen.

Wenn eine Stadt den Ehrgeiz demonstriert, mit welchem im Moment in und um Shanghai gebaut wird, dann Lingang New City. Das gesamte Gelände - immerhin 294 km² groß - ist aus dem Nichts auf eigens aufgeschüttetem Meeresgrund entstanden. Der kreisrunde See, der einen Durchmesser von 2,5 km hat, ist dennoch aus Süßwasser: Er wird aus den Flüssen der Umgebung gespeist und soll die Stadt mit Trinkwasser versorgen. Und als attraktives Urlaubsziel für Bootsfahrer und Wasserskiläufer dienen. Die Ufer des Sees sollten ursprünglich von Sandstränden gesäumt werden - doch die Shanghaier Stadtplanung lehnte ab. Stattdessen dienen nun Gehwege aus hellgrauen, fein säuberlich verlegten Steinplatten als Uferpromande. Ob das nicht gefährlich sei mit den ganzen Wegen am Wasser so ganz ohne Geländer, fragt eine der chinesischen Studentinnen. Man könne doch reinfallen. An den metallenen Pfahl eines “Baden-Verboten”- Schildes schmatzt Wasser.

Als wir hier, im Herzen der Stadt unseren Besichtigungsspaziergang beginnen, sind wir nicht die einzigen Touristen. Auch viele Chinesen spazieren am Ufer entlang, die sich interessiert die auf Schautafeln präsentierten Stadtpläne anschauen und eifrig Fotos voneinander machen. Und den als “singende Steine” getarnten Lautsprechern lauschen, welche die Promenade nicht nur mit zuckersüßem chinesischen Pop auch Informationsbeiträge über die Stadt beschallen.
Im Gegensatz zu Anting New Town interessieren sich nicht nur Investoren für die neue Stadt. Schon jetzt organisiert ein Reisebüro Busreisen hierhin. Viele Chinesen kommen bereits jetzt am Wochenende hierher, um sich an der frischen Seeluft vom Smog der Stadt zu erfrischen und im leichten Wind Drachen steigen zu lassen, erzählt man uns. Andere einfach, um die gigantische Baustelle zu besichtigen. Wir machen eine Pause im einzigen Restaurant weit und breit, mit Blick aufs Meer, pardon: Den Kunst-See. Es ist zwei Uhr nachmittags, von hoch oben ertönt plötzlich der Klang von Big Ben. Den fand man für die etwa zehn Meter von uns entfernt stehende große Turmuhr wohl besonders schön.

Im ersten, 2007 fertig gestellten, Wohnviertel beherbergt Lingang New City bereits 80.000 Einwohner. Schon jetzt haben zwei Universitäten ihren Betrieb aufgenommen: Die Marine-Fakultät der Tongji-Universität und eine Hochschule für Fischerei. Von dem riesigen, eben erst fertig gestellten Rathaus wird nun die gesamte Provinz verwaltet. Auch die zunehmend von weißen Platten bedeckten Stahlskelette der riesigen Dachschalen, welche das zukünftige Maritime Museum krönen sollen, gewinnen immer mehr an Form.

Lingang New City ist am Reißbrett des Büros Gerkan, Marg und Partner (GMP) entstanden. Die Hamburger Star-Architekten, welche in Deutschland unter anderem mit den Bau des Berliner Hauptbahnhofs betraut worden waren, hatten sich mit ihrer Idee vor sieben Jahren in einem internationalen Wettbewerb durchsetzen können. Bereits 2003 wurden ihre ursprünglichen Pläne erweitert, um mehr Einwohnern Platz zu bieten.
Ob die Verantwortung für so viele Menschen es einen nicht mulmig werden lasse? Der Architekt Alexander Schober, Mitarbeiter des GMP-Büros in Shanghai, schüttelt leicht den Kopf. Schließlich kann man nichts voraussehen, sondern nur auf die Umsetzung der Gesamt-Idee vor Ort achten.
Leider laufe in Detail nicht immer alles so, wie man es sich wünsche, erzählt er. “Die neuesten Sachen, die jetzt gebaut werden, entsprechen nicht unserem Plan.“ Das betreffe die Qualität der Materialien. Details, wie Brücken, die zu niedrig ausfallen und deren Flucht nicht gerade mit einer Häuserfront dahinter abschließt. Oder ganze Viertel, die ursprünglich nach dem Vorbild von Berliner Kasernenbauten mit einem mittigen Innenhof für alle errichtet werden sollten. Blickt man jede auf ein aktuelles Stadtmodell, lassen sich stattdessen nur jene durch anonyme Grünflächen getrennte, parallel verlaufende Hochhäuserreihen erkennen, die jedem Bürgermeister in Deutschland inzwischen Bauchschmerzen bereiten. Aber da sei derzeit nichts zu machen. Die Nord-Süd-Ausrichtung der Wohnungen ist ein Muss, ost-westlich ausgerichtete Wohnungen würde niemand kaufen, fürchten die Chinesen. Also können die Zeilen nur in langen Blöcken hintereinander stehen.

Wir schließen unseren Ausflug mit einem Panorama-Blick vom Dach des Rathaustums ab. Noch schweifen die Augen über viel unerschlossenes Bauland, braune und grüne Ebenen, einsame Straßen und halb hochgezogene Gebäude. Selbst mit viel Fantasie ist es noch schwer, sich vorzustellen, wie Stadt einmal genau aussehen wird im Jahr 2020, wenn sie fertig sein soll. Im Gegensatz zu Anting New Town hat man jedoch das vage Gefühl, dass ihre Verwirklichung könnte. Wie Anting New Town ist Lingang eine Reißbrettstadt, von deutscher Hand entworfen. Anders als in Anting wird jedoch nicht einfach ein äußerer europäischer Formenkanon kopiert, sondern vielmehr die Idee einer idealen Stadt ganzheitlich umgesetzt. So formuliert auch das Architektenbüro GMP selbst: “Unser Konzept von Lingang New City greift die Ideale der tradierten europäischen Stadt auf.”

Montag, 1. September 2008

Exkursion: Anting New Town (II)

Einige Eindrücke...

Exkursion: Anting New Town (I)

Deutsche Vorstadt made in China

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Anting New Town heißt die von dem Frankfurter Architektenbüro Albert Speer und Partner neu konzipierte Wohnort, in dem bis zu 80.000 Bewohner Platz finden sollen und dessen Gebäude nach dem Vorbild einer “typisch deutschen” mittelalterlichen Stadt kreisförmig um einen zentralen Platz organisiert wurden. Im Detail hat der Entwurf jedoch nichts mit Kopfsteinplaster und Fachwerkromantik gemein sondern wartet vielmehr mit der Atmosphäre eines vorstädtischen Neubaugebietes auf: Man erblickt breite, von niedrigen Bordsteinen gesäumte Straßen, gerahmt von noch jungen, akkurat gezüchteten Bäumchen und Vorgärten, soweit das Auge reicht. Die von Giebeldächern gekrönten Häuserreihen tragen glatte, bunte Fassaden zur Schau.
Damit es nicht zu klinisch wird, wurden Inseln typisch deutscher Heimeligkeit geschaffen. Oder das, was man dafür hält: Eine “deutsche” Bäckerei verkauft “Vollcornbread”, malerisch gelegen in einer der vier Straßen, welche direkt auf ein rund drei Meter hohes Goethe und Schiller-Denkmal zuführen. Auf dem Platz davor herrscht jedoch nur wenig Leben.
Durch die matten Glasscheiben vieler anderer Ladenlokale lassen sich nur nackte Betonwände und heraushängende Kabel ausmachen. Sie stehen noch leer, ebenso wie viele der Wohnhäuser.
Dass Anting New Town ein wenig einer Geisterstadt gleicht, liegt daran, dass zahlreiche Gebäude von Spekulanten erworben wurden. Wieviel der rund 60 km² Wohnfläche bereits tatsächlich verkauft sind, wollte man uns bei einer halbstündigen Präsentation des Modellbaus in der „Weimar Villa“ nicht verraten. Die Stadt sei ja schließlich sehr groß, da verliere man die Übersicht, so die Antwort auf unsere Frage. Schulen und Kindergärten gibt es bisher jedenfalls kaum. Auch der S-Bahn-Anschluss, der die Stadt einmal mit Shanghai verbinden soll, fehlt noch.
Dass bisher nur ein Teil der Wohnungen verkauft ist, mag aber nicht nur an der erst im Ansatz vorhandenen Infrastruktur liegen sondern auch wirtschaftliche Gründe haben: Als wir eines der mit Doppelglasfenstern ausgestatteten Häuser besichtigen, entpuppt sich das, was als “typisch deutsch” gehandelt wird, als Mischung von bunten Kronleuchtern, großzügigen Bädern, glänzend polierten Einbaumöbeln und kubischen Designerssofas: Viel Glas, viel Licht, viel Platz.
Für Chinesen werden diese Wohnungen kaum erschwinglich sein: Sie sind vor allem für Ausländer gedacht, welche in der Autostadt Anting arbeiten, dem Standort von Shanghai Volkswagen nahe dessen sich Chinas erste Formel-Eins-Strecke erstreckt. Die Bewohner von Anting New Town, so sie denn einmal einziehen, werden reich sein, weit entfernt vom chinesischen Mittelstand. Davon zeugen schon jetzt die Überwachungskameras und zahlreichen Wachposten, die an den vielen wohlbehüteten Durchfahrtstoren Präsenz zeigen.

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