Freitag, 12. September 2008

Schönheitsideale...

Internationale Firmen werben in China mit asiatischen und nicht mit europäischen oder amerikanischen Models. Oder?
Mitunter eifern junge Chinesinnen dem Schönheitsideal eines blassen Teints und großer Augen so sehr nach, dass sie von westlichen Models kaum noch zu unterscheiden sind. So wie auf diesem Plakat, gesehen nahe der Maoming Lu.

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Seminar: Die Reflexion städtischer Entwicklung in der zeitgenössischen bildenden Kunst

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"Translocalmotion" lautet das Motto der siebten Shanghai Biennale, welche sich in diesem Jahr die Entwicklung der Stadt Shanghai zum Leitmotiv gesetzt hat.
Wie träumen Künstler die Metropole? Welche Kritik üben sie am urbanen Leben? „Can cities make our life better?" Im gleichnamigen Seminar untersuchte Dr. Sven Sappelt gemeinsam mit den Teilnehmerinnen der Summer School anhand ausgewählter Exponate, wie die aktuelle Kunstszene der rasanten städtischen Entwicklung gegenübersteht.


Im folgenden Text fasst er seine Eindrücke zusammen...


Better City – better Life. Das Versprechen zieht sich wie ein roter Faden durch die Stadt: auf riesigen Werbebannern ist der Slogan zu lesen. Es ist der Ausdruck eines gewaltigen Modernisierungswillens, der Shanghai innerhalb weniger Jahre in eine fortschrittliche Metropole verwandeln soll: Wolkenkratzer, Shoppingcenter, International Style, Expo.


Im Gegensatz dazu liest sich der Untertitel der Shanghai Biennale 2008 beinahe wie ein kritisches Gegenprogramm zur politisch verordneten Utopie: Translocalmotion - Make Cities our life better? Die Kunstschau fand inzwischen zum siebten Mal statt und stand am 12. September auf dem Programm der Konstanzer Sommerschule.


Statt den radikalen Transformationsprozessen einmal auf den Zahn zu fühlen, bleibt eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den aktuellen urbanen Entwicklungen und ihren Schattenseiten allerdings aus. Das ist schade, weil dadurch die Sprengkraft des Themas verschenkt wird. Die Ausstellung ist aber trotzdem und vielleicht sogar gerade deshalb erhellend – wenn auch in ganz anderer Hinsicht.


Auf dreien von vier Stockwerken des Ausstellungsgebäudes wird vor allem eines präsentiert: das Bild Shanghais als eine internationale Metropole, als Melting Pott und Knotenpunkt globaler Waren-, Geld- und Menschenströme; als ein Hafen, in dem immer wieder neue Menschen landen, dem Leben am Huangpu eine unvorhergesehene Wendung geben und ihre Spuren hinterlassen.


Seit Beginn der Kolonialisierung gegen Mitte des 19. Jahrhunderts bestimmt der Strom der Reisenden die Geschicke der Stadt. Waren es zuerst eher Draufgänger und abenteuerlustige Kaufleute, die in der Heimat nicht viel zu verlieren hatten, zog Shanghai innerhalb weniger Jahrzehnte eine Vielzahl an glücksuchenden Zeitgenossen an – Soldaten, Händler, Touristen, Intellektuelle, deutsche Juden auf der Flucht vor dem Nationalsozialismus.


Es ist dieses Bild, das Chinesen heute gerne der Welt präsentieren und das sich eben auch im offiziellen Titel der Ausstellung niederschlägt: Translocalmotion – das heißt auf Chinesisch so etwas wie schnelle Stadt und schnelle Reisende.


Ein großes Gemälde fasst diese Botschaft sinnbildlich zusammen: „Blooming, Wilting“ von Ma Baozhong. Auf vier mal zwölf Metern versammelt der chinesische Maler Symbole und Insignien einer dynamischen und weltoffenen Stadt: Geschäftsleute, Schriftsteller, Popstars, Sportler, Immigranten, Reisende aus Vergangenheit und Gegenwart; verwoben mit Schiffen, Stadtansichten und vielem mehr zu einem lebendigen Durcheinander.


Aber ist das nicht ein Bild, das man so oder ähnlich von jeder modernen Großstadt malen könnte? Zweifellos. Interessant wird es angesichts der chinesischen Geschichte: der Kulturrevolution. Unter der blutigen Führung Maos wurden alle Häfen geschlossen und China von der übrigen Welt abgeschottet. Das der Strom der Reisenden heute wieder anschwillt, ist also keine Selbstverständlichkeit. Das Bild spannt einen historischen Bogen, der auf die traditionelle Internationalität der Hafenstadt verweist und so dem kommunistischen Terror einen begrenzten Platz in der Geschichte zuweist.


An das blutige Kapitel der Kulturrevolution erinnert die Arbeit „Express Train“ des chinesischen Künstlers Jing Shijian im Vorhof zum Biennalegebäude: ein düsterer Zug ruft Erinnerungen an die Zwangsverschickung chinesischer Studenten hervor. Statt ihrem Studium und ihren Karrieren nachzugehen, wurden sie von allem intellektuellen Leben abgeschnitten und zur Arbeit auf dem Land gezwungen. Bis heute ist die Aufarbeitung der Geschichte dieser verlorenen Generation ein höchst sensibles Thema, das zwar nicht tabuisiert, aber doch kaum öffentlich diskutiert wird.


In Bezug auf China bleibt dies allerdings die einzige wirklich kritische Stimme in der Ausstellung. Die Probleme des modernen Großstadtlebens werden eher indirekt oder am Beispiel anderer Städte thematisiert: So zeigt die Fotoserie von Klaus Metting drastische Bilder von Müllhalden in Neu Delhi. Die raumgreifende Installation „Kandor Con“ von Mike Kelley führt mit Superman-Comics auf spielerische Art und Weise die hypertrophe Seite eines naiven Modernisierungswillens vor Augen. Doch all dies bleibt im Grund weit von China weg – so nah es der Sache nach auch sein mag.


Die Ausstellungsbereiche, die sich dezidiert mit Shanghai beschäftigen, immerhin zwei ganze Stockwerke, konzentrieren sich dagegen weitgehend auf das Zentralmotiv: Betonung der Bewegung, der Migration, der Internationalisierung. So präsentiert Wang Qingsong mit „Luggage“ eine Sammlung von Gepäckstücken aus verschiedenen Zeiten und Weltregionen. Die „Flying Machine“ von Yin Xiuzhen stellt eine kuriose Konstruktion aus einem Flugzeug, einem Auto und einem Traktor dar, welche spannungsgeladene Beziehung zwischem dem ländlichen, städtischen und internationalen Entwicklungen mit ihren verschiedenen Geschwindigkeiten thematisiert. Die Fotografien von Lu Hao führt in seinen „Scenery Series“ die international standardisierten Warenauslagen in den Geschäften unterhalb des Volksplatzes vor Augen.


Dabei ist der Ansatz gar nicht schlecht gewählt: Wie bei der Istanbul-Biennale 2006 nimmt die Ausstellung ihren Ausgangspunkt in der Stadt. Die Kuratoren Zhang Qing, Julian Heynen und Henk Slager gehen noch einen Schritt weiter und beginnen ganz konkret mit dem Ausstellungsgebäude selbst: dem ehemaligen Clubhaus der Sportanlage, die einst der kommunistischen Revolution weichen musste, um Platz für den heutigen Volksplatz zu schaffen. Hier spiegelt sich die Geschichte Shanghais vom internationalen Jetset über die kommunistischen Volksaufmärsche bis zum gegenwärtigen Shoppingparadies wieder. Der Platz ist ein dynamischer Ort, an dem sich die Wege von Millionen von Menschen kreuzen.


Für eine vermutlich nicht ganz zufällige Irritation sorgt dabei ein Ausstellungsteil, der die Geschichte des Volksplatzes und der Stadt anhand historischer Fotos und musealer Schautafeln dokumentiert. Die Handschrift ist offensichtlich eine andere und tatsächlich liegt die Verantwortung für diesen Beriech bei einem chinesischen Team, das im Katalog gar nicht genannt wird.


Während der an kritischen Positionen geschulte Kunstbetrachter aus Europa also noch die Bilder vom chinesischen Elend vermisst – von zwangsumgesiedelten Familien, von hypertrophen Modernephantasien, von ausgebeuteten Arbeiter und korrupten Superreichen -

dämmert ihm allmälich, dass hier vielleicht nicht alles gesagt wurde, was zum Thema städtische Entwicklung in Shanghai hätte gesagt werden können – und dass dafür eventuell weder das Team der Kuratoren noch das Fehlen von radikalen künstlerischen Positionen verantwortlich zu machen ist...


Auf den ersten Blick mag diese Biennale deshalb ein wenig zu brav oder gar etwas langweilig erscheinen. Die radikalen Transformationsprozesse, die sich gegenwärtig in China vollziehen und zweifelsohne auch schmerzhafte Spuren hinterlassen, könnten präziser erfasst und sensibler beschrieben werden. Auf den zweiten Blick wird allerdings deutlich, dass die Ausstellung ein durchaus ernstzunehmendes Statement liefert:


In Shanghai artikuliert sich ein gewaltiger Modernisierungswille, der die Stadt neben Weltstädten wie New York, Berlin oder Tokyo als internationale Metropole behaupten möchte – und zwar auch in der Kunst. Das gilt letztlich auch für die Preise für chinesische Kunst seit einiger Zeit gezahlt wird. Die in deutschen Medien geführte Diskussion, ob deutsche Architekten in diesem Umfeld arbeiten sollten, erscheint aus der Nähe betrachtet als völlig absurd. Vielmehr sollte die europäische Öffentlichkeit die Politik der Öffnung begrüßen und an den Veränderungen partizipieren. Die kommunistische Partei spricht keineswegs immer mit einer Stimme. Auch hier gibt es Meinungsverschiedenheiten und Richtungsstreitereien. Und das politische Klima könnte sich durchaus wieder verdüstern, sobald der wirtschaftliche Aufschwung abnimmt und die Probleme, die mit der gegenwärtigen Modernisierung einhergehen, deutlich zu Tage treten. China ist dem sozialistischen Verfall noch einmal entkommen, indem es die Flucht nach vorne angetreten ist. Man muss kein Prophet sein, um vorauszusehen, dass das utopische Modernisierungspotential irgendwann ausgeschöpft sein wird und die Euphorie der Erneuerung dem nüchterne Alltag der bröckelnden Wohnblocks, der ungelösten Versorgungsprobleme und fortschreitenden Umweltverschmutzung weicht. Dann wird es vermutlich sehr viel schwerer werden, die politisch Verantwortlichen für westliche Ideale zu begeistern. Freuen wir uns also über den günstigen Augenblick, den die Kuratoren nutzen, das Bild eines lebendigen, bewegten und internationalen Chinas zu verbreiten. Je selbstverständlicher dieses Bild im chinesischen Bewusstsein und der Weltöffentlichkeit verankert wird, desto schwieriger dürfte es werden, zu einer ängstlichen wie schädlichen Politik der nationalen Abschottung zurückzukehren; desto wahrscheinlicher bleibt es, dass Shanghai ein bewegendes Drehkreuz für Touristen, Reisende, Glücksuchende bleibt. Translocalmotion!

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