Wohnen in der Metropole (I): Lilongs

Chinesisch- westliche Arbeiterhäuser

klein
Einfache Arbeiterhäuser nach dem Vorbild der Industriegebiete Manchesters und Londons schwebten Sir Harry Smith Parkes vor, als er in seiner Amtszeit als britischer Konsul in Shanghai von 1858 bis 1865 mit dem Bau der ersten “Lilong”-Anlang begann. Das Wort steht für “Nachbarschaft“, “long” alleine für “kleine Gasse”. Im Shanghai-Dialekt werden die Bauten auch “Ziling”, “Fischgrätenhäuser”, genannt weil sie so eng aneinander liegen.
Smith Parkes hatte mit dem Bau von Lilongs begonnen, um seine Konzession vor dem Verkommen zu bewahren. Während der Taiping-Revolution waren Tausende Chinesen in die ausländischen Niederlassungen geflohen. Bald investierten auch große Shanghaier Firmen wie Jardine’s und Sassoon in den Bau der neuen Wohnanlagen, der Baustoff Holz wurde durch Backstein ersetzt.
“Lilongs stellen eine “Kreuzung” aus einem westlich städtischen Reihenhaus und einem traditionell chinesischem Wohnhaus mit einem von drei Seiten ummauerten Innenhof dar. Um Sicherheit und Ruhe zu schaffen, wurden die Anlagen durch hohe Mauern oder Ladenzeilen abgeschirmt. Ihre namen haben meist etwas Verheißungsvolles und lassen an Glück, langes Leben, Wohlstand oder Erfolg denken […]. Doch wie bei den meisten Wohnanlagen standen vielfach praktische Überlegungen im Vordergrund. So ergab sich z.B. die Raumbreite aus der Länge des verwendeten Bauholzes. Seit dem späten 19. Jahrhundert wurde vornehmlich importierte Oregon-Kiefer eingesetzt, daher betrug die Breite der Räume in der Regel zwischen 3,65 und 4,20 Meter.[…] Im Lauf der Jahrzehnte veränderten die Lilongs ihr Gesicht. Bei den Anlagen alten Stils, wie sie zwischen den 1870ern und den 1930ern gebaut wurden, vermittelt das Eingangstor, der Shikumen, das Gefühl einer gewissen Privatheit. […] Der Gestaltung des Türsturzes wurde- ähnlich wie bei einem traditionellen Haus der chinesischen Oberschicht- große Sorgfalt entgegengebracht. […] Nach dem 1. Weltkrieg entwickelte sich der Lilong “neuen Stils”. Shikumen fehlen und sind durch Gittertüren ersetzt. […] Auch nach der Gründung der Volksrepublik setzte sich die Lilong-Bauweise fort, nur wurden die Häuser höher, die Baumaterialien änderten sich bis hin zur “sozialistischen Platte”.”(Steffi Schmitt, Shanghai Promenade, Hongkong 2003, S. 71 f.)
Zeitweise machten die Häuser rund 65 Prozent der Shanghaier Bausubstanz aus, in den 40er Jahren lebten mit zwei Millionen die Hälfte aller Shanghaier in Lilongs, in den 80er Jahren waren es zweieinhalb Millionen. Obwohl die Lilongs von außen romantisch anmuten, sind die Wohnbedingungen im Inneren oft schlecht, weil Küche und Bad fehlen und der Wohnraum zu eng ist. Weil kaum eine Anlage unter Denkmalschutz steht, verschwinden die Siedlungen seit den 80er Jahren zunehmend. Die neuen, modernen Wohnblöcke, welche sie ersetzen sollen, befinden sich häufig außerhalb der Stadt.

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