Stadt im Museum - Interview mit Prof. Dr. Albert Kümmel Schnur über das Shanghai History
Wie inszeniert sich Shanghai hier in diesem Museum?
Nachdem sich China Anfang der 1990er Jahre geöffnet hat, wurden Bilder für das neue, marktwirtschaftlich sich wandelnde China benötigt. So zumindest ist mein Eindruck als ganz marginaler Beobachter von außen. In Shanghai wurde zwischen 1992 und 1995 das alte Fischerdorf Pudong in ein Schaufenster des boomenden, reichen, modernen Stadtlebens umgeformt. Der Oriental Pearl Tower entstand als neues Wahrzeichen der Stadt. Nun schaut man vom Bund hinüber nach Pudong, man schaut vom alten, kolonialistischen Chic auf das China der Zukunft, ein sich postmodern gebendes China. Und unten im Oriental Pearl Tower, einer auf ihre Bildfunktion hin gebauten Architektur, befindet sich ein Museum, das auch eine Bildermaschine ist. Zielt der Turm darauf, der Stadt Shanghai ein Gesicht zu geben, ist es das Ziel des Museums, seine Besuchenden zum integralen Teil eben dieses Bildes zu machen. Am deutlichsten wird dies am Ende der Ausstellung, wo man mithilfe einer Greenbox zum auch für andere Besucher sichtbaren Teil eines historischen Films, der die Nanjing Lu in den 1930er Jahren zeigt, werden kann.
Fotografieren und Anfassen sind in diesem Museum wo nicht erlaubt, so doch offensiv geduldet. Man kann also nicht nur Teil des Stadt-Bildes werden, sondern auch selbst Bilder produzieren und mitnehmen, indem man etwa Seit’ an Seit’ mit lebensgroßen Wachspuppen, die historische Szenen nachstellen, für Fotos posiert.
Was wird in diesem Museum gezeigt, was nicht?
Das Museum zeigt zunächst einen Markt im Shanghai der Ming-Dynastie. In weiteren Hallen folgen die Semikolonisierung Chinas in den Opiumkriegen seit 1840 und das Leben in den sog. Konzessionen. Das Museum schließt mit einer Darstellung derjenigen architektonischen Spuren, die noch heute im Stadtbild von der im Museum dargestellten Geschichte erzählen. Shanghai identifiziert sich in diesem Museum überraschenderweise stark mit seiner früheren kolonialen Vergangenheit – allerdings nur als buntes Bild, als Bild eines Bildes. Das kommunistische China wird hier ebensowenig ausgestellt wie die Gegenwart.
Die Ausstellung ist nicht gerade sozialkritisch.
Das ist sicherlich nicht das Ziel dieses Museums – wie im Übrigen Sozialkritik ja auch nicht zum Standardrepertoire von Stadtmuseen überhaupt gehört.
Das Einzige, was sozialkritisch ist, ist ein filmisch animiertes Diorama aus dem Leben von Vorstadtarbeitern in den 1930er Jahren.
Wer sich für eine politische Geschichte interessiert, kann andere Museen in Shanghai besuchen, zum Beispiel das Haus der
ersten Sitzung der Kommunistischen Partei Chinas, das ich entgegen vieler Reiseführervorbehalte deutlich empfehlen möchte. Dieses Museum hier, das Shanghai Municipal History Museum, macht vor allem Spaß. Man lernt hier kaum etwas über die Stadtgeschichte, sondern es geht vor allem um die Produktion von Bildern.
Kann man also sagen, dass hier im wahrsten Sinne des Wortes Image-Bildung betrieben wird?
Ich würde schon bei dem Wort Bild bleiben und vom Begriff des Image absehen. Image beinhaltet eine zu starke Wertung und kommt obendrein aus der Werbesprache. Ich würde auf "Bild" beharren.
Und schließlich sagt das Museum ja auch selbst sehr offensichtlich in mancherlei selbstreflexiven Installationen: Ich bin ein Bild.
Vielen Dank für das Gespräch.
Nachdem sich China Anfang der 1990er Jahre geöffnet hat, wurden Bilder für das neue, marktwirtschaftlich sich wandelnde China benötigt. So zumindest ist mein Eindruck als ganz marginaler Beobachter von außen. In Shanghai wurde zwischen 1992 und 1995 das alte Fischerdorf Pudong in ein Schaufenster des boomenden, reichen, modernen Stadtlebens umgeformt. Der Oriental Pearl Tower entstand als neues Wahrzeichen der Stadt. Nun schaut man vom Bund hinüber nach Pudong, man schaut vom alten, kolonialistischen Chic auf das China der Zukunft, ein sich postmodern gebendes China. Und unten im Oriental Pearl Tower, einer auf ihre Bildfunktion hin gebauten Architektur, befindet sich ein Museum, das auch eine Bildermaschine ist. Zielt der Turm darauf, der Stadt Shanghai ein Gesicht zu geben, ist es das Ziel des Museums, seine Besuchenden zum integralen Teil eben dieses Bildes zu machen. Am deutlichsten wird dies am Ende der Ausstellung, wo man mithilfe einer Greenbox zum auch für andere Besucher sichtbaren Teil eines historischen Films, der die Nanjing Lu in den 1930er Jahren zeigt, werden kann.
Fotografieren und Anfassen sind in diesem Museum wo nicht erlaubt, so doch offensiv geduldet. Man kann also nicht nur Teil des Stadt-Bildes werden, sondern auch selbst Bilder produzieren und mitnehmen, indem man etwa Seit’ an Seit’ mit lebensgroßen Wachspuppen, die historische Szenen nachstellen, für Fotos posiert.
Was wird in diesem Museum gezeigt, was nicht?
Das Museum zeigt zunächst einen Markt im Shanghai der Ming-Dynastie. In weiteren Hallen folgen die Semikolonisierung Chinas in den Opiumkriegen seit 1840 und das Leben in den sog. Konzessionen. Das Museum schließt mit einer Darstellung derjenigen architektonischen Spuren, die noch heute im Stadtbild von der im Museum dargestellten Geschichte erzählen. Shanghai identifiziert sich in diesem Museum überraschenderweise stark mit seiner früheren kolonialen Vergangenheit – allerdings nur als buntes Bild, als Bild eines Bildes. Das kommunistische China wird hier ebensowenig ausgestellt wie die Gegenwart.
Die Ausstellung ist nicht gerade sozialkritisch.
Das ist sicherlich nicht das Ziel dieses Museums – wie im Übrigen Sozialkritik ja auch nicht zum Standardrepertoire von Stadtmuseen überhaupt gehört.
Das Einzige, was sozialkritisch ist, ist ein filmisch animiertes Diorama aus dem Leben von Vorstadtarbeitern in den 1930er Jahren.
Wer sich für eine politische Geschichte interessiert, kann andere Museen in Shanghai besuchen, zum Beispiel das Haus der
ersten Sitzung der Kommunistischen Partei Chinas, das ich entgegen vieler Reiseführervorbehalte deutlich empfehlen möchte. Dieses Museum hier, das Shanghai Municipal History Museum, macht vor allem Spaß. Man lernt hier kaum etwas über die Stadtgeschichte, sondern es geht vor allem um die Produktion von Bildern.
Kann man also sagen, dass hier im wahrsten Sinne des Wortes Image-Bildung betrieben wird?
Ich würde schon bei dem Wort Bild bleiben und vom Begriff des Image absehen. Image beinhaltet eine zu starke Wertung und kommt obendrein aus der Werbesprache. Ich würde auf "Bild" beharren.
Und schließlich sagt das Museum ja auch selbst sehr offensichtlich in mancherlei selbstreflexiven Installationen: Ich bin ein Bild.
Vielen Dank für das Gespräch.
CLuetkemeier, 11. September, 20:00
Trackback URL:
https://summerschoolshanghai.twoday.net/stories/5215295/modTrackback